Sehr geehrter Herr Bundesminister Heinz Faßmann!
Anlässlich des Beginns der Sommerschulen im Osten und vieler Zuschriften besorgter Lehrer*innen wenden wir uns wieder schriftlich an Sie. Unser letztes Schreiben an Sie vom 8. Juni, in dem wir
- eine Doppelbesetzung in der 1. und 2. Volksschulklasse,
- eine administrative Entlastung der Pflichtschulen durch Supportpersonal und
- ausreichend Ressourcen für das Fördern in Kleingruppen
gefordert haben, blieb leider bis heute unbeantwortet. Die Erfahrungen des letzten Semesters und Ihre Planungen für das kommende Schuljahr haben uns gezeigt, wie notwendig Investitionen in diesen Bereichen sind. Informieren Sie die Öffentlichkeit, wann Sie diese dringlichen Maßnahmen umsetzen werden! Eltern, Schüler*innen und Lehrer*innen warten darauf.
Ihr am 17. August veröffentlichter Plan „Schule im Herbst 2020“ wurde von uns intensiv durchgearbeitet. Das Bemühen des Ministeriums um unterstützende Rahmenbedingungen ist ersichtlich, jedoch auch eine Vielzahl von Praxisschwächen. In Garderoben sollen die Abstandsregeln eingehalten werden. Wie soll dies bei der baulichen Beengtheit vieler dieser Räume umgesetzt werden? Tische und Sessel im Speisesaal ganztägiger Schulen sollen bei jedem Gruppenwechsel desinfiziert werden. Hat man Sie darüber informiert, dass an vielen Schulen bis zu 300 Schüler*innen in einem solchen Saal zwischen 12 Uhr und 15 Uhr verköstigt werden müssen? Lehrer*innen und die Schulleitung sollen die Gesundheitsbehörden bei einem Corona-Verdacht alarmieren. Wieso werden die Schulen nicht mit berührungsfreien Stirnthermometern unterstützt, die in vielen touristischen, kulturellen und öffentlichen Bereichen im Einsatz sind?
Ihre Maßnahmen entsprechend der Corona-Ampelfarben sind übersichtlich dargestellt. Deren Aktivierung lässt hingegen noch einige Fragen offen. Für einen sicheren Schulalltag im Herbst im Sinne von „agieren ist besser als reagieren“ halten wir die nachfolgenden Zusatzmaßnahmen unter Berücksichtigung der individuellen Schulsituation für unerlässlich:
- Lehrer*innen dürfen abgestimmt auf die Unterrichtssituation und Lüftungsphasen das Tragen des Mundnasenschutzes ihrer Lerngruppe verordnen.
- Mit Test-Kits für alle Familien und einer Testung aller 120.000 Lehrer*innen im zweiwöchigen Abstand durch ambulante Teams wird dem Sicherheitsbedürfnis vieler entsprochen und den Gesundheitsbehörden ein österreichweites Screening ermöglicht.
- Bei Verdachtsfällen sind Testergebnisse innerhalb von 24 Stunden erforderlich, um die weiteren notwendigen Maßnahmen an der Schule rasch durchführen zu können.
- Angaben zum Verhalten von Risikogruppen unter Schüler*innen und Lehrer*innen dürfen sich auf den unterschiedlichen Kommunikationskanälen des Ministeriums nicht wie im Frühjahr widersprechen. Rechtssicherheit ist erforderlich!
- Wenn das BMBWF die Klasse als epidemiologische Gemeinschaft anstrebt, ist die Sprachförderung von klassenübergreifenden Deutschförderklassen auf integrative Stammklassenförderung umzustellen und die Möglichkeit von klassenübergreifenden Leistungsgruppen in der Mittelstufe zu sistieren. Entscheidungen über unverbindliche Übungen und das Freizeitangebot an ganztägigen Schulen sollten zur Gänze der Schulautonomie übertragen werden.
- Über das Angebot von Mittagessen und Lernstunden an Offenen Schulen ist schulautonom zu entscheiden, da Hygiene und Sicherheit nur dann eingehalten werden können, wenn die Betreuungsgruppe annähernd mit einer Klasse identisch ist.
- Schulleitungen dürfen auch schon in der Phase Grün schulzeitliche Maßnahmen setzen, um am Unterrichtsbeginn oder beim Schulschluss „Rudelbildungen“ zu verhindern.
- Mitteilungspflichten wie zum Beispiel KEL-Gespräche und Elternsprechtage dürfen ausgesetzt werden, um externe Klassenkontakte einzuschränken.
- Mit einer Lockerung der Schulveranstaltungsverordnung ist den Schulen die Möglichkeit zu geben, ohne bürokratische Hürden Unterricht projektartig im Freien abzuhalten und den Turnsaalunterricht auf Sporttage auszulagern.
Sowohl die verordneten Maßnahmen Ihres Ministeriums als auch unsere Ergänzungsforderungen werden nur greifen, wenn unsere Schulleitungen sie umsetzen können. Egal ob das Krisenmanagement im Frühjahr, die Administration der Sommerschule, die Organisation der Sprachfördermaßnahmen oder die Schulentwicklung von der NMS zur Mittelschule, immer sind unsere Direktorinnen und Direktoren additiv zu ihren Alltagsaufgaben gefordert. Es ist daher mehr als berechtigt, wenn jeder Schulleitung seitens des Bundes eine Dauermehrdienstleistung pro 100 Schüler*innen zur Verfügung gestellt wird.
Im nicht erwünschten Fall, dass die Lehrer*innen für das Distance-Learning wieder ihr privates Equipment dem Staat zur Verfügung stellen müssen, ersuchen wir Sie beim Finanzminister Absetzmöglichkeiten für die Zusatzkosten über die Arbeitnehmerveranlagung zu ermöglichen.
In einem Corona-Schreiben an die Schulen haben Sie formuliert: „Da ich Sie in den letzten herausfordernden Wochen als kreative und konstruktive Partnerinnen und Partner erlebt habe, hoffe ich auch in dieser Initiative zum Wohle unserer Schülerinnen und Schüler auf Sie zählen zu können“.
Genau dasselbe erhoffen wir von Ihnen in der Umsetzung unseres Maßnahmenkatalogs.
Im Namen der APS-FSG mit gewerkschaftlichen Grüßen
MMag. Dr. Thomas Bulant
Bundesvorsitzender der FSG in der Gewerkschaft der Pflichtschullehrer*innen